Die typografische Regel ist ein scheues Reh. Texte zur Typografie

Literatur, Fussnoten und Typografie

3 Seiten aus dem besprochenen Buch. xxx yyy

Ein Taschenbuch aus dem Listverlag: »Soziale Kontrolle und autoritäre Gewalt« von Christian Graf von Krockow, erschienen 1971 in München. Es handelt sich um einen geisteswissenschaftlichen Text, der wenig gegliedert ist: zwei Kapitelebenen, Absätze mit stumpfem Einzug, Abschnitte durch Leerzeilen gebildet, hin und wieder ein Gedicht. Baskerville mit einer Schriftgröße, die groß zum eher kleinen Zeilenabstand ist: 10/10pt im Stil der 70er, dazu kleine Seitenränder – die Seite ist insgesamt kompress angelegt. Der Gesamteindruck: sehr schlicht, sehr ruhig – ein vortreffliches Lesebuch fürs konzentrierte Arbeiten – fast kontemplativ zu nennen.

Besonders fallen die Fußnoten aus. Formal klassisch – eine hochgestellte Ziffer im Text, der Text dazu am Fuße der Seite. Keine Linie, der Abstand des Textes zur Note ist unterschiedlich. Abstand und die kleinere Schriftgröße – 8pt – bilden die Trennung, Zeilenabstand 8,5pt innerhalb der Note. Die Noten sind ein- und zweispaltig angelegt.

In der Mehrzahl handelt es sich hier um Quellennachweise. Die Quelle wird mit einer Nummer als Kurzfassung angegeben, die ausführliche Fassung findet sich im Literaturverzeichnis (die Literaturangaben dort sind durchnummeriert). In der Anmerkung wird die Navigationsnummer – und nur diese – kursiv ausgezeichnet. Sie unterscheidet sich damit ausreichend von Seitenzahlen, Abschnittsnummern, Teil-, Band- und Kapitelangaben. Es können so eine Menge Ziffern direkt aufeinander folgen, ohne man den Faden verliert.
Als Leser trifft man auf eine wohlsortierte Umgebung. Zusatzinformationen sind im unteren Seitenbereich zu finden. Will man es noch genauer wissen, wird man über die Nummer ins Literaturverzeichnis verwiesen und von da erst aus dem Buch in die Bibliothek.

Das ist eine echte Meisterleistung, vor der ich gerne den Hut ziehe. Solch ein logistisches Navigationssystem gestattet keine typografischen Ausnahmen. Nur exakt ausgeführt, funktioniert es. Damit ist eine der Bedingungen für funktionierende didaktische Typografie formuliert.

Ulrike Borinski, 18.01.2014, * home, Impressum